Gemeinde Untergruppenbach (Druckversion)

Vorbehalte gegen Frauen in der Feuerwehr

Autor: Feuerwehr Medienteam
Artikel vom 10.08.2021

Göttert ist die Frauensprecherin des Kreisfeuerwehrverbands Heilbronn und Vorstandsmitglied im Netzwerk Feuerwehrfrauen in Deutschland. Im stimme-Interview spricht sie über ihren Einstieg bei der Feuerwehr und darüber, woran es beim Thema Feuerwehrfrauen heute noch hakt.

Frau Göttert, wie kamen Sie zur Feuerwehr?

Stephanie Göttert: Durch einen Klassenkameraden als ich 13 war. Er hat mich zur Jugendfeuerwehr mitgenommen. Es hat mir so gut gefallen, dass ich dabei geblieben bin.

Was hat Ihnen so gut gefallen?

Göttert: Eigentlich alles, die Kameradschaft, dass man füreinander da ist, das Gefühl, Menschen in Notsituationen helfen zu können.

Wie sind Sie aufgenommen worden?

Göttert: Ich war das erste Mädchen in der Jugendfeuerwehr Dettenhausen und im Landkreis Tübingen und dann auch die erste Frau bei den Aktiven. Da gab es aber eine Hürde: Der Ausschuss in Dettenhausen musste zustimmen, dass ich 1997 zu den Aktiven wechseln durfte. Das war ein komisches Gefühl. Ich habe das überhaupt nicht verstanden.

Und wie ging es dann weiter?

Göttert: Es gab keine separaten Umkleiden. Ich habe mich weiter im Duschraum umgezogen. Total faszinierend war, dass ich sofort ein Teil der Truppe war. Es gab keine Vorbehalte und keine Sonderbehandlung. Es hieß: Du willst dabei sein, dann musst du das auch können. Zwei Jahre später zog ich nach Untergruppenbach. Da war ich wieder die erste Frau in der Feuerwehr. Eine Abstimmung zur Aufnahme gab es nicht.

Heute versehen 322 Frauen Dienst in den Landkreis-Feuerwehren, das sind nicht einmal zehn Prozent. Von Normalität kann keine Rede sein.

Göttert: Als ich vor 15 Jahren Frauensprecherin wurde, waren es erst 30 Frauen. Zu einem gewissen Grad sind heute weibliche Einsatzkräfte im Landkreis Normalität, aber das ist noch nicht zu 100 Prozent selbstverständlich. In Baden-Württemberg haben Frauen große Schwierigkeiten. Da gibt es immer noch Vorbehalte. Auch der Bürger muss Frauen als selbstverständlichen Bestandteil der Wehren sehen. Ich habe Gott sei Dank keine negativen Erfahrungen gemacht. Es war ein vorsichtiges Herantasten, aber ich hatte richtig Glück mit den Führungskräften und den Kameraden.

Wie steht eine Frau ihren Mann bei der Feuerwehr?

Göttert: Wie ein Mann. Wir sind keine Püppis oder Models. Wir schaffen und jammern nicht.

Können Sie mit einem schweren, unhandlichen Rettungsspreizer ein Autodach aufschneiden?

Göttert: Wir arbeiten immer zu zweit. Den etwa 30 Kilogramm schweren Spreizer trage ich nie allein. Das tun auch die Männer nicht. Wir müssen Krafttraining machen, den Rücken stärken und die Muskeln aufbauen.

Was kann eine Feuerwehrfrau per se nicht?

Göttert: Alles, was ich bisher in die Hand genommen habe, hat funktioniert.

Warum haben Sie sich als Frauensprecherin aufstellen lassen?

Göttert: Weil ich mich als Frau allein gefühlt habe. Ich habe damals im Landkreis keine Gleichgesinnten gefunden. Ich habe mich gefragt, was kann ich tun, dass es mehr Frauen werden.

Warum wächst der Anteil nur so zäh?

Göttert: Diese Frage stellen wir uns seit Jahren auch im Netzwerk Feuerwehrfrauen in Deutschland. Ich weiß, dass in Baden-Württemberg Frauen noch nicht richtig anerkannt sind. Frauen, die ich angesprochen habe, trauen sich die Aufgabe nicht zu. Es fehlt an Mut. Sie vom Gegenteil zu überzeugen, ist teilweise schier unmöglich. In der Werbung wird zu wenig gemacht. Vom Landesverband kommt zu wenig Unterstützung. Ich bin aber stolz darauf, dass sich im Landkreis Heilbronn in den vergangenen 15 Jahren die Zahl verzehnfacht hat. Bei den Jugendfeuerwehren ist der Anteil der Mädchen weitaus höher als bei den Aktiven.

Mit welchen Anliegen kommen die Kolleginnen zu Ihnen?

Göttert: Das ist ganz unterschiedlich. Ich hatte auch schon einen Fall im Land, bei dem sich eine Frau sexistisch behandelt fühlte. Nach einem Gespräch hat der Feuerwehrmann gemerkt, dass sein Verhalten falsch war. Aber meist geht es um die Aus- und Weiterbildung oder um die Kleidung.

Die Einsatzkleidung ist immer noch geschlechterneutral.

Göttert: Wir fordern schon lange, dass die Einsatzkleidung für Frauen angepasst wird. Wir haben eine andere Statur als Männer. Meine Hose und meine Jacke sind mir zu lang. Es liegt an den Herstellern, die nicht bereit sind, eine weibliche Kollektion herauszugeben, weil sich das bei dem geringen Frauenanteil nicht lohnt.

Zumindest bei der Dienstuniform hat sich was getan. Was tragen Sie, Rock oder Hose?

Göttert: Der Rock geht eine Handbreit bis unters Knie. Wie soll man damit laufen? Ich trage am liebsten Hosen. Ich wollte nie anders aussehen als die Feuerwehrmänner und nie aus der Masse herausragen.

Womit beschäftigen Sie sich aktuell?

Göttert: Ich möchte mit einer Feuerwehrfrau in Böckingen, die aus Syrien stammt, eine Strategie aufbauen, wie man Frauen mit Migrationshintergrund zur Feuerwehr bekommt. Der Landesfeuerwehrverband müsste aktiver werden, damit Frauen sich wohl fühlen. Für alles gibt es einen Fachbereich – für Musik, Altersabteilung, Jugend, Brandschutzerziehung, aber keinen für Frauen und für Menschen mit Migrationshintergrund. Bayern ist da wesentlich weiter. Dann beschäftige ich mich mit der Ausbildung. Manche Kameradinnen fühlen sich bei den Übungen nicht ernst genommen. Ich biete ihnen nach der Grundausbildung die Möglichkeit, die Technische Hilfe zu vertiefen, oder am Strahlrohr und mit Atemschutz zu trainieren.

Ist das der Weg zum Erfolg?

Göttert: Es ist ein Anfang, die Frauen bekommen mehr Vertrauen in ihre Fähigkeiten und die Geräte. Grundsätzlich soll die Ausbildung aber gemeinsam erfolgen.

Sind Feuerwehrmänner inzwischen emanzipiert?

Göttert: Da fehlt noch viel. Wenn dem so wäre, wären mehr Frauen dabei. Viele Männer haben Angst, dass wir ihnen etwas wegnehmen könnten. Solange diese Denken noch da ist, ist es für Frauen schwer. Vielleicht muss man warten, bis sich die Feuerwehr verjüngt hat.

Die Führungsriegen sind Männerdomänen. Nur Eppingen hat eine Kommandantin.

Göttert: Ich denke es fehlt der Mut auf beiden Seiten: den Frauen, sich aufstellen zu lassen, und den Männer, Frauen zu wählen.

Würde eine Quote helfen?

Göttert: Ich täte mich schwer damit. Es muss auch von den Frauen kommen, Verantwortung zu übernehmen. Man muss sich als Frau bei der Feuerwehr durchsetzen, sonst bleibt man auf der Strecke.

Warum sind weibliche Einsatzkräfte Gold wert?

Göttert: Wir kommen mit psychisch belastenden Situationen besser zurecht. Bei Verkehrsunfällen ist in der Regel die Frau die erste, die zum Verletzten ins Fahrzeug steigt, um ihn zu beruhigen oder sie kümmert sich um die umstehenden Beteiligten. Mit Frauen ist die Feuerwehr eine andere Gemeinschaft. Man wächst als Familie anders zusammen, und die Feuerwehr ist eine Familie. Wir müssen aufeinander aufpassen.

Zur Person

Stephanie Göttert ist 43 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder im Alter von 15 und 17 Jahren. Aufgewachsen in Dettenhausen im Landkreis Tübingen, lebt sie heute in Untergruppenbach, wo sie eine von vier Frauen in der Feuerwehr ist. Die Verwaltungsfachangestellte bei der evangelischen kirchlichen Verwaltungsstelle in Heilbronn ist auch als Atemschutzgeräteträgerin und Sprechfunkerin ausgebildet. Seit 15 Jahren ist die Hauptfeuerwehrfrau Frauensprecherin beim Kreisfeuerwehrverband Heilbronn.

Von Sabine Friedrich, Heilbronner Stimme
Quelle: www.stimme.de

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